Wenn man in Unternehmen auf der Suche nach Einsparungen im Budget ist, gibt es meist drei Suchfelder: Weiterbildung, Innovation und Marketing. Ist das schlau? Nein, aber in manchen Führungsetagen herrscht immer noch die Meinung, dass diese Themen ohnehin noch länger warten können. Beim Marketingbudget gab es den Spruch: „50 % des Budgets werden ohnehin beim Fenster hinausgeworfen, man weiß nur nicht welche 50 %“. Dieses Image hat sich inzwischen überholt, denn mit dem Trend in das digitale Marketing wurde der Output, also „die Conversion“, auch messbar.
Innovation und Weiterbildung bzw. Kompetenzaufbau ist die Basis der Unternehmenszukunft und benötigt bei der steigenden Innovationsdynamik zunehmend Aufmerksamkeit und Ressourcen. Beim „Innovationsmanagement“ – falls es diese Position im Unternehmen bereits gibt – schmerzt eine Budgetkürzung besonders. Das Persönlichkeitsprofil der/des Innovationsmanager:in kann zwar meist mit Frustration und Rückschlägen gut umgehen. Es ist aber trotzdem ein kritisches Signal für die Belegschaft, wenn bei Zukunftsthemen gespart wird. Die „engagierten schlauen Köpfe“ werden daraus ihre Schlüsse ziehen und man läuft Gefahr „High Potentials“ zu verlieren.
Es ist ein großer Unterschied im Ressourcenbedarf, ob man sich ausschließlich mit Verbesserungs- und Vorschlagswesen beschäftigt oder im Extremfall die Ergebnisse eines internen Innovationsprojekts als Spin-Off in einem eigenen Rechtsrahmen ausgründet. Ein modernes Innovationsmanagement adressiert aber nicht nur diese zwei Extremfälle, sondern beschäftigt sich auch mit Innovationsstrategien, Methodentraining, Ideenmanagement, Service Design, Technologiemonitoring, Produktlebenszyklen, Roadmaps, Förderwesen, Digitalisierung, Schutzrechtemanagement (IPR), F&E Kooperationen, Startup-Scouting, Prototypenbau, Geschäftsmodellentwicklung, Kooperationsmanagement, Wissenstransfer, etc.
Das industrielle Innovationsmanagement des späten 20. Jahrhunderts hatte vor allem zwei Schwerpunkte auf der Agenda: Wie kann man bestehende Produkte und Prozesse verbessern und wann ist der Zeitpunkt gekommen in eine Neuproduktentwicklung zu investieren. Innovationsmanagement war Produktentwicklung in vielen Fällen als Begriff und Tätigkeit gleichgestellt. Die Treiber dafür waren Produktlebenszyklen in der Sättigungsphase oder Technologiesprünge. Im 21. Jahrhundert ist der Bedarf an Veränderung und Innovation in nahezu allen Unternehmensbereichen angestiegen. Neben Neuproduktentwicklung sind begleitende Services als neues Innovationsziel dazu gekommen und mit zunehmender Digitalisierung haben sich Wertschöpfungsprozesse und zuletzt nun auch die Geschäftsmodelle massiv verändert.
Unternehmen sind also damit beschäftigt die generelle Logik des Zusammenwirkens aller Köpfe und Ressourcen und auch die Interaktion mit Kund:innen komplett neu zu gestalten. Ein großer Sprung war die Virtualisierung der Produktdifferenzierung: Der physikalisch idente Motor kann durch Softwareeinstellungen zwischen 90 und 150 kW jeden beliebigen Wert einnehmen und hat in jedem Leistungsbereich akzeptable Abgaswerte. Damit konnten erste Schritte zur Individualisierung von Lösungen für Kund:innen bei Beibehaltung der Vorteile einer industriellen Massenfertigung realisiert werden. Mit der Digitalisierung des Innovationsmanagements konnte man auch die Endkund:innen mit in den Innovationsprozess integrieren. Damit wurden digitale Tools und Wissensvernetzung wichtige Bestandteile des Innovationsmanagements.
Je nach Innovationsbewusstsein und Innovationsintensität eines Unternehmens sind damit zw. 1 bis 2 Personen oder eine eigene Innovationsabteilung mit 20 bis 30 Köpfen erforderlich, um die wichtigsten Funktionen und Kompetenzen abzubilden. Dieses Investment muss sich letztlich durch neue Produkte, Services und Lösungen am Markt refinanzieren. Nachdem das meist länger als eine Budgetperiode = ein Kalenderjahr dauert, ist viel an Überzeugungsarbeit erforderlich. Nachweisbare und messbare Innovationserfolge liegen oft mehrere Jahre in der Zukunft.
Mehr Budget für Zukunftsprojekte heißt in vielen Unternehmen, dass damit Ressourcen beim operativen Geschäft fehlen würden. Als Führungskraft mit einem variablen Vergütungsbestandteil, der vom kurzfristigen Geschäftserfolg abhängt, ist die Entscheidung für die Zukunft bzw. Innovation mit weniger Einkommen im laufenden Jahr verbunden. Für managementgeführte Unternehmen mit einer 4-jahres Vorstandsverpflichtung baut sich an dieser Stelle ein Spannungsfeld auf, das man in eigentümergeführten Familienunternehmen leichter überwinden kann, da dort die langfristige Unternehmensentwicklung den Vorrang hat. Nachfolgend möchte ich ein paar Ideen auflisten, die helfen könnten, ein höheres Innovationsbudget zu etablieren:
Wenn Prämien für Führungskräfte direkt mit der langfristigen Leistung des Unternehmens verbunden werden, wird auch Innovation eine höhere Priorität bekommen. Innovation sollte daher auch ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensstrategie sein und in den langfristigen Zielen des Unternehmens verankert werden. Damit gibt es ein Bestreben, diese strategischen Ziele auch zu erreichen. Unternehmen können dazu messbare Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators) festlegen, um den Erfolg von Innovationsbemühungen zu bewerten. Ein KPI kann z.B. der Umsatzanteil der Neuprodukte (nicht älter als…) am Gesamtumsatz sein.
Innovationsbemühungen sollten darauf abzielen, einen umfassenden „Stakeholder Value“ anstatt nur Shareholder Value zu schaffen. Neben den Boni und Prämien für Führungskräfte kann auch eine Mitarbeiter:innenbeteiligung sehr sinnvoll sein. In Zeiten des Fachkräftemangels erhöht sich damit die Attraktivität der Arbeitsplätze und die Mitarbeiter:innenbindung. In digitalen Innovationssystemen kann man auch schnell erkennen, wer die wichtigsten Treiber von Innovationsaktivitäten sind. Anerkennung und Sichtbarkeit dieser herausragenden Köpfe liefert einen wichtigen Impuls in die Innovationskultur des Unternehmens. Netzwerkbasierte Unternehmen treffen Entscheidungen für Innovationsvorhaben bereits im Kollektiv über Corporate Crowdfunding Modelle. Dabei werden meist ausgewählten Mitarbeiter:innen kleine Innovationsbudgets übertragen, die sie selbst auf Projekte verteilen können.
Laut dem aktuellen Vergütungsreport von Kienbaum erhalten zwischen 75 und 96 Prozent der Führungskräfte einen Bonus. Die Frage, inwiefern darin längerfristige Innovationsziele belohnt werden, ist nicht herauslesbar. Für mehr Nachhaltigkeit und Resilienz in der Unternehmensentwicklung wird es aber erforderlich sein, noch stärker auf die strategische Unternehmensführung und auf Innovation zu setzen. Die Höhe des Innovationsbudgets definiert die Geschwindigkeit und Intensität der Arbeit an Zukunftsprojekten im nächsten Budgetjahr.
Wie hoch ist das Innovationsbudget in deinem Unternehmen? Wird eine längerfristige positive Unternehmensentwicklung belohnt?
Ich freue mich wie immer auf Feedback und wünsche noch einen erholsam-kreativen Sonntag!
Reinhard Willfort, Innovationsdoktor, www.willfort.at