Wer an neuen Lösungen arbeitet, ist gefordert sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Neue Lösungen sind nur dann erfolgreich, wenn sie die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse der Kund:innen treffen. Nun stellt sich die Frage welche Bedürfnisse das sein werden? „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Dieses Zitat von Henry Ford kommt einem in diesem Kontext schnell in den Sinn.
Heute können wir zum Glück auf eine Vielzahl an digitalen Tools zugreifen, die uns dabei helfen Trends zu erkennen. Mit Crowdsourcing oder Open Innovation Methoden kann man noch einen Schritt weiter gehen und Kund:innen direkt und interaktiv in Innovationsprozesse einbinden. Zusätzlich gibt es spezialisierte Agenturen und Forschungsinstitute die regelmäßig Trendreports herausgeben. Eine interessante Quelle sind auch Patente und Patentrecherchen. An der Anmeldefrequenz kann man erkennen, welche Technologien aktuell im Fokus stehen und auch, wo sie zur Anwendung kommen sollen.
Nachdem ich seit vielen Jahren im Rahmen meiner Vorträge, Trainings und Coachings Einblick in unterschiedliche Branchen, Forschungsprojekte und Technologien habe, möchte ich diese Innovationserfahrungen zu drei Trends verdichten, die im Jahr 2024 im Innovationsmanagement an Bedeutung gewinnen werden:
Es hat einige Jahrzehnte gebraucht, um zu erkennen (oder besser zu akzeptieren), dass globale Logistik- und Wertschöpfungsketten verletzbar sind und damit zu einem Versorgungsrisiko werden können. Die Pandemie hat so manche Industrie in einen Ausnahmezustand gebracht, z.B. waren auf einmal Schutzmasken für Krankenhäuser nicht mehr lieferbar. Die Auswirkungen wären weitreichend gewesen, nämlich die Undurchführbarkeit von Operationen. Zum Glück konnten wir eine lokale Produktion dieser Produkte aufbauen.
Inzwischen ist auch vielen Industrien klar geworden, dass wir auf dieser Erde nur eine begrenzte Menge an Ressourcen zur Verfügung haben. Damit ist ein (von Shareholdern gewünschter) exponentielles Wachstum von Unternehmen am Finanzmarkt auf Basis realwirtschaftlicher Wertschöpfung nur begrenzt oder gar nicht möglich. Es gibt nicht genug Material dafür und bei Ressourcenknappheit steigen die Preise und damit wird das Geschäftsmodell uninteressant.
Überproportionales Wachstum ist ein Phänomen der digitalen Wirtschaft, darum ist aktuell auch hier ein Fokus zu sehen. Eine Software zu kopieren oder Metainformationen zu bestehenden Daten als Wert zu verkaufen, braucht wenig an physischem Material, dafür aber IT, Software, Brainware und Energie. In der Realwirtschaft stellt sich aber immer öfter auch die Frage, wo ein idealer Standort für eine Produktion, um ausreichend Ressourcen in der Nähe zu haben.
Produkte können als Netzwerke von verbundenen Ressourcen verstanden werden und in der Rückführung wird nun Abfall zur wertvollen Ressource. Je nach Veredelungsgrad hat der heutige Abfall damit unterschiedlichen Wert. So steckt z.B. im Stoff eines Shirts bereits verwobene, gefärbte und veredelte Baumwollfaser die in einem „Upcycling-Prozess“ schneller und mit weniger Ressourcen wieder in den Nutzungskreislauf zurückkommen kann. Der Müllplatz von gestern wird damit zum Ressourcenpark der Zukunft.
Dazu kommt, dass ein wachsender (noch kleiner) Anteil der Bevölkerung Kreislaufwirtschaft als wichtig und erstrebenswert erachtet und auch bereit ist dafür Geld auszugeben. „Green Washing“, also das „so tun als ob alles ökologisch korrekt läuft“ wird von einigen Medien und Verbraucherschützer:innen bereits bestraft und kann einen großen Imageschaden verursachen.
Fazit: Wir werden ausgehend vom Trend „Nutzen statt besitzen“ in Zukunft mehr an Recycling, Upcycling, Repair-Cafes, Tauschbörsen, etc. sehen. Diese Trends werden Innovationen vorantreiben, die auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Der „Green Deal“ der Europäischen Kommission liefert eine große Bandbreite an zukünftigen Auflagen, Regulierungen, Verboten, aber auch Reportingpflichten für Unternehmen in Form von Nachhaltigkeitsberichten (ESG – Environmental, Social, Corporate Governance). Der Druck für die Umsetzung hängt aktuell von der Unternehmensgröße ab (2024 damit nur wenige), sollte aber heute bereits auf die Agenda der strategischen Unternehmensführung kommen. Es gibt aber schon eine wachsende Zahl an Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte auf Basis der SDGs (Sustainable Development Goals der UN) schon längst erstellen.
Wieviel menschliche Intelligenz braucht man, um mit der „künstlichen Intelligenz“ (KI) in Zukunft gut arbeiten und leben zu können? Diese Frage hatte ich bereits im Blogbeitrag vom 7.1.2024 gestellt und sie wird uns 2024 massiv beschäftigen. Es gibt zwar jede Menge Kurse um „Prompt Engineering“ für ChatGPT zu lernen, aber die kritische Auseinandersetzung mit KI-Tools scheint noch etwas Zeit zu brauchen. Immerhin, wir werden in Österreich eine KI-Servicestelle haben.
ChatGPT hat auf jeden Fall bewirkt, dass die Entwicklung von KI-Apps oder KI-Tools aktuell exponentiell nach oben geht. Das liegt meist daran, dass Investor:innen auch an diesen Themen als Investmentziel interessiert sind, und damit werden wir in diesem Jahr den Hype-Cycle noch weiter nach oben klettern. Die Frage, die ich mir gerade stelle: Was wird nach diesem KI-Hype als sinnvoll einsetzbare Tools übrig bleiben und zwar im Sinne von einfach, transparent, ethisch korrekt und legal?
Macht es wirklich Sinn, wenn ich ein E-Mail automatisch generieren lasse, wo ich den Stil vorgebe und dann von einer anderen Maschine eine automatisch generierte E-mail retour bekomme? Unterhalten sich am Ende die Maschinen miteinander? Gut, das tun Maschinen ohnehin schon über standardisierte Datenformate, aber meist mit einem konkreten Sinn und Nutzen außerhalb oder unterstützend zur menschlichen Kommunikation.
Aus meiner Sicht wird das Zusammenwirken von menschlicher Intelligenz und auch Schwarmintelligenz mit KI-Tools für die Akzeptanz und Sinnhaftigkeit entscheidend sein. „Menschen folgen Menschen“ betont Coach und Trainer Frank Asmus immer wieder und ich kann diesem Satz sehr viel abgewinnen.
Fazit für das Innovationsmanagement: Wir werden uns KI-Tools genau ansehen müssen, aber deren Einsatz im Innovationsprozess ist vorhersehbar und auch sinnvoll. Auch diese Idee ist nicht neu: Ich hatte mit meinem Team schon 2009 die erste Inspirationsmaschine gebaut, die ähnlich wie eine heutige KI-Lösung unterschiedliche Daten vernetzt und User:innen damit kreative Impulse in Form von Texten oder Bildern lieferte. Leider war das 15 Jahre zu früh. Neben der Inspiration könnten KI-Tools aber auch in der Vernetzung von kreativen Personen oder in der Ideenbewertung hilfreich sein.
In einem Interview meinte Alexander Osterwalder: „Geschäftsführer müssen 40 bis 60 % ihrer Zeit für Innovation verwenden.“ Ich kenne inzwischen zwar viele Unternehmen, die Innovationsmanagement in Form einer Stabsstelle unter dem CEO oder Vorstand etabliert haben. Die konsequente und strategische Auseinandersetzung mit Innovationen im Top-Management wird im Jahr 2024 weiter an Aufmerksamkeit gewinnen, aber wir sind in der Regel von 40% Kapazität für Innovationsmanagement noch weit entfernt.
Unternehmen sind dazu gebaut stabil zu sein, Prozesse möglichst fehlerfrei zu exekutieren und Lösungen zu bauen, die qualitativ hochwertig sind. Wer ständig mit neuen Ideen und Lösungen daherkommt, wird in so einem System schnell zum Störfaktor. Die Lösung für mehr Kreativität und Ressourcen für Innovationen beginnt eindeutig im Top-Management. Nachdem die wertvollste Ressource für Innovationen (neben Euros) das Wissen der Köpfe im Unternehmen ist, braucht es ein ausgeprägtes Leadership für Innovationen.
Nachdem der Innovationsdruck überproportional ansteigt, wird dieses Thema entscheidend für die Resilienz und Überlebensfähigkeit von Unternehmen und Organisationen. Agilität allein reicht dazu nicht, es braucht die authentische Überzeugungsarbeit der Führungskräfte und das Mitdenken und Mitarbeiten aller Köpfe im Unternehmen, und zwar von/vom Portier:in bis zur/zum Vorstandsvorsitzenden.
Ein modernes digitales Innovationsmanagement schafft dafür den Möglichkeitsraum und die schlauen Köpfe, die wir aktuell am Arbeitsmarkt suchen, werden das auch fordern. Zugleich werden neue Wertsysteme am Endkundenmarkt auch neue Lösungen und Produkte fordern. Innovation Leadship ist damit auch im Einsatz von KI-Tools im Rahmen der Cirular Economy wichtig. Damit schließt sich auch innerhalb dieser drei Themen spürbar ein Kreis.
Ich freue mich wie immer auf Feedback und wünsche noch einen erholsam-kreativen Sonntag!
Reinhard Willfort, Innovationsdoktor, www.willfort.at