“Disruption is a process, not an event, and innovations can only be disruptive relative to something else.”
Clayton M. Christensen
Künstliche Intelligenz-Tools werden auch das Innovationsmanagement verändern, aber kann das auch eine disruptive Dimension erreichen? In der Innovationsszene geistert schon seit ein paar Monaten die Idee herum, dass man Innovationsprozesse ohne menschliches Zutun im Hintergrund autonom ablaufen lassen könnte. Nachdem bei nahezu allen Studien zur Frage „Was braucht erfolgreiche Innovation?“ die Unternehmenskultur als Top 1 Antwort heraussticht, nähere ich mich dem Thema mit einer gewissen Skepsis. Grundsätzlich sehe ich aber auch die Chancen durch die KI zusätzliche Ressourcen für Innovation zu gewinnen, und wenn es nur die Effizienzsteigerung bei Routinearbeiten ist, um mehr Zeit für Kreativität und Innovation frei zu schaufeln.
Wenn es möglich wäre eine autonome Innovationsmaschine zu bauen, würde es das klassische Innovationsmanagement weitestgehend ersetzen. Wir würden in diesem Fall von einer disruptiven Innovation des Innovationsmanagements selbst sprechen. Mittels generativer KI als eine Form der kreativen KI ist es heute bereits möglich, Ideen von der Maschine generieren zu lassen. Die Frage, ob diese Ideen gut sind, liegt wie bei allen Ideen im Auge des Betrachters: Was für den Einen spannend und brandneu ist, kann für den Anderen langweilig sein. Auch wenn die kreative KI im Vergleich zur menschlichen Kreativität derzeit noch unterlegen ist, handelt es sich dabei grundsätzlich bereits um eine disruptive Innovation.
Eine disruptive Innovation ist eine Innovation, die in der Regel mit einer niedrigeren Qualität in einem speziellen Fachgebiet beginnt. Ein Effekt ist dabei, dass diese Innovation durch den niedrigen Level von den etablierten Unternehmen übersehen wird. In der Regel werden diese Tools aber durch die Anwendung und Weiterentwicklung besser und verdrängen die etablierten Methoden und Tools. In welchen Bereichen könnte das im Innovationsmanagement der Fall sein? Ich versuche meine Gedanken dazu anhand eines klassischen Innovationsprozesses von der Ideenfindung bis zur Ideenverwertung zu beschreiben:
Mit meinem Team bei isn hatten wir bereits 2009 die erste Inspirationsmaschine gebaut, die ähnlich wie eine heutige KI-Lösung unterschiedliche Daten vernetzt und User:innen damit kreative Impulse in Form von Texten oder Bildern lieferte. Nach den ersten Gesprächen mit Unternehmen hatten wir das Tool wieder in die Schublade verbannt. Zu diesem Zeitpunkt war das Innovationsmanagement (falls vorhanden) in vielen Unternehmen noch nicht aufnahmefähig für ein derartiges Tool. Heute gibt es bereits einige Apps, die auf Basis von ChatGPT in der Lage sind, Ideen zu formulieren, z.B. seenapse.ai. Neben der Inspiration könnten KI-Tools aber auch in der Vernetzung von kreativen Personen eingesetzt werden, um kreative Teams zu formen.
Die interne Ideenbewertung in Unternehmen hatte früher den Nachteil, dass nur wenige Köpfe mitdenken und mitentscheiden konnten. Mittels Crowdsourcing und Innovationsplattformen hat sich diese Situation deutlich verbessert. Ideen verschwinden nicht mehr im „Postkasten“, sondern werden transparent von vielen kreativen Köpfen diskutiert und weiterentwickelt. Eine Community-Bewertung aller Ideen in einer Ideen-Challenge befördert die besten resonanzfähigen Ideen an die Oberfläche. Hier könnte KI nun die Funktion haben, Ideen mit Ideen und danach mit User:innen zu vernetzen, um schlummernde Innovationspotenziale zu entdecken und sie einer Umsetzung zuzuführen.
Auch die Erstellung von Prototypen, insbesondere bei digitalen Lösungen, kann mittels KI-Tools unterstützt werden. Auch Websites oder Programm-Codes können automatisch generiert werden. Damit kann die Ideenrealisierung ohne große Hürden eingeleitet werden und die Grundlage für eine industrielle Produktion oder personalisierte Einzelfertigung von Produkten gelegt werden. Im Design Thinking Prozess werden an dieser Stelle User-Tests unter möglichst realen Bedingungen durchgeführt. Hier könnte eine KI mittels synthetischer Personas (also von KI generierte Benutzer:innen-Personas) helfen, um schnelles Feedback zu bekommen.
Die Markteinführung ist die Stunde der Wahrheit und war früher oft mit der schmerzlichen Einsicht verbunden, dass „dieses Ding“ niemand braucht. Auch dazu gibt es bereits KI-Tests, die sich vor dem Launch „am Markt umhören“, z.B. in Social Media Diskussionen. Gemeint sind KI-Tools, die in der Lage sind, Spuren aus den sozialen Medien oder anderen Quellen aufzuspüren, zu vernetzen und daraus Muster zu kreieren, die Rückschlüsse auf Kund:innenwünsche, Anwendungsfeedback und mehr liefern. Diese Erkenntnisse können auch der Ausgangspunkt für zukünftige Strategien und Kreativprozesse sein.
Fazit: Die Vielfalt an KI-Tools wächst stündlich und liefert bereits heute für die Disziplin Innovationsmanagement interessante Assistenzsysteme und digitale Unterstützung. Ich sehe vor allem für den Strategieprozess in Unternehmen – als Basis für Innovationen – eine gute Möglichkeit, sich umfassend mit Trends zu beschäftigen und damit den Innovationsbedarf frühzeitig zu erkennen oder proaktiv disruptive Impulse zu setzen. Die „autonome Innovationsmaschine“ ist zum heutigen Zeitpunkt eine interessante Vision. Wir werden sehen, wie sich das KI-Thema in der Innovationsbranche weiterentwickelt und wie schnell diese Vision wirklich zur Realität werden könnte.
Welche KI-Tools setzt du bereits im Innovationsmanagement ein?
Ich freue mich auf Feedback und wünsche wie immer einen erholsam-kreativen Sonntag!
Reinhard Willfort, Innovationsdoktor, www.willfort.at Let’s innovate together!
Tipp für die Unterstützung bei KI-Fragen:
Das Netzwerk der 228 European Digital Innovation Hubs (EDIH) bündelt Know-how zu innovativen Technologien und speziell zu Künstlicher Intelligenz. 151 EDIHs verfügen über eine Basisfinanzierung für die unkomplizierte Unterstützung von Unternehmen und dem öffentlichen Sektor in der digitalen Innovation. Der EDIH Crowd in Motion beschäftigt sich mit der technologischen Verbindung von menschlicher Intelligenz mit künstlicher Intelligenz und setzt dazu Crowdsourcing Tools ein.