8. Innovation braucht Vernetzung

Veröffentlichung: November 5, 2023
Autor: Reinhard Willfort
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In 10 Schritten zum erfolgreichen Unternehmen

„Das Web ist mehr eine soziale Erfindung als eine technische.“

Wirksames Innovationsmanagement braucht die Vernetzung von vielen kreativen Köpfen, am besten multidisziplinär! Im Beitrag 7 dieser Serie standen die technischen Tools und digitalen Innovationsplattformen im Fokus, die für die Vernetzung im Unternehmen, aber auch für Open Innovation Initiativen mit Kund:innen und Fans eingesetzt werden können. Aufgrund hierarchischer Strukturen, Profit-Center und verteilter Standorte treffen sich viele Menschen im Arbeitsprozess gar nicht, obwohl sie demselben Unternehmen angehören. Das kreative Potenzial durch Vernetzung von unterschiedlichem Wissen und Köpfen bleibt damit ungenutzt.

Das bereichsübergreifende Generieren von Ideen in Netzwerken führt dazu, dass Ideen von verschiedenen Personen und Fachbereichen gemeinsam entwickelt und bewertet werden können. Netzwerke arbeiten schnell und lösungsorientiert. Transparenz ist eine wichtige Grundvoraussetzung dafür. In Unternehmen entdecken wir bei Crowdsourcing Initiativen mit digitalen Tools bei jeder Ideeninitiative Personen, die auf Wissen sitzen, das bisher gar nicht bekannt war. Diese innovativen Impulse kommen oft von privaten Interessen oder Erfahrungen aus früheren Jobs.

Hohe Innovationsfähigkeit in Unternehmen braucht Hierarchie und Netzwerk als sich ergänzende Organisationsstrukturen.

Netzwerke sind in allen Unternehmen vorhanden und funktionieren besonders gut in der Ideenentwicklung, weil sie hierarchielos, ohne Druck und lösungsgetrieben agieren. Stell dir die Unternehmenshierarchie als Pyramide vor (siehe Abbildung): Wenn man diese um 90 Grad dreht, sieht man von unten dieselben Köpfe, aber die Verbindungen sind nicht mehr Weisungsbeziehungen, sondern die gemeinsame Vergangenheit (z.B. gemeinsames Studium), die gemeinsame Kaffeemaschine für informelle Gespräche oder das Vertrauen in Personen.

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Die zwei Betriebssysteme eines Unternehmens im Spannungsfeld zwischen Kreativität und Stabilität

In diesen dynamischen Netzwerken entstehen viele Ideen, die für Unternehmen nützlich sein können, oft ganz nebenbei, im alltäglichen Gespräch.

Dieses Phänomen der Wissensvernetzung lässt sich durch Erkenntnisse aus der Gehirnforschung erklären: Es ist erwiesen, dass kreative Ideen durch die neuronale Vernetzung von bestehendem Wissen im Gehirn entstehen. Das funktioniert dann besonders gut, wenn sich das menschliche Gehirn in einer Art „Leerlaufzustand“ befindet (bekannt als „low arousal theory“).  Wer also verbissen an einer Lösung arbeitet, hat wenig Chancen auf einen Geistesblitz, weil durch die Konzentration innerhalb einer Gehirnregion die Vernetzung blockiert wird. Es entsteht ein „hot spot“ im Gehirn, der die gesamte Energie bindet.

Ähnlich ergeht es einer Organisation, die ihre Innovationsinitiativen ausschließlich über „verordnete Veränderungsprozesse“ über die Hierarchie steuert. Auch hier erleben wir Blockaden. Ein Umgebungswechsel (zum Beispiel Joggen oder Wandern) oder die Anwendung einer Kreativitätsmethode mit spielerischen Elementen kann einen Gehirnzustand herstellen, der für die Ideengenerierung besonders hilfreich ist. Die Redewendung: „Problemlösen bedeutet, sich vom Problem lösen“ verdeutlicht diesen Effekt.

Informelle Netzwerke, die ohne Druck und freiwillig kreative Lösungen finden, sind sehr wirksam in der Problemlösung und für die Kreation von Zukunftsideen. Die Kaffeemaschine im Pausenraum oder der Raucherplatz im Freien kann ein Zentrum dieses Kreativnetzwerks sein. Diese Plätze bekommen damit Anziehungskraft und man trifft auf Raucherplätzen auch Nichtraucher, die mit dabei sein wollen! Wenn man diesen kreativen Köpfen noch digitale Tools in die Hand gibt, verbreitert sich der Möglichkeitsraum und die Reichweite steigt.

Wer die Kraft dieser Netzwerke fördern will, muss auch die Rolle des Innovationsmanagers überdenken: Innovationsmanagement wird damit zur zentralen Drehscheibe, wo Ideen und Ressourcen bewegt werden. Im betrieblichen Vorschlagswesen hatte der Innovationsmanager eine zentrale „Gatekeeper-Funktion“, um über die Sinnhaftigkeit von Ideen zu entscheiden. Eine undankbare Aufgabe gegenüber kreativen Köpfen, die über eine Ablehnung enttäuscht sind. Heute ist diese Aufgabe aufgrund der Komplexität von Lösungen nur durch den Einsatz eines Wissensnetzwerks unter Einbeziehung von Fachexpert:innen lösbar.

Im Innovationsmanagement geht es heute darum, Impulse in das Netzwerk zu senden und damit die Richtung der Ideenentwicklung zu moderieren. Netzwerke entwickeln eine gewisse Eigendynamik und fördern ungeahnte Ideenquellen zu Tage. Spielerische Elemente „Gamification“ fördern die Eigendynamik und Ideenfrequenz. Anhand der Bewegungsdaten z.B. in Form eines Punktesystem (Highscores, ähnlich einem Spiel) können interessante Persönlichkeitsprofile identifiziert werden. Daraus können Unternehmen in weiterer Folge auch Potenziale für die Mitarbeiter:innen-Entwicklung ableiten.

Für das zentrale Innovationsmanagement ergeben sich daraus Vorteile: Die Anzahl der Ideen steigt um ein Vielfaches. Gleichzeitig sinkt der Betreuungsaufwand auf einen Bruchteil des bisherigen Zeiteinsatzes, da viele Mitdenker:innen unmittelbar Feedback auf Ideen geben und damit eine wichtige Funktion im Ideenmanagement als Kollektiv erfüllen. Auch die Vorbewertung von Ideen durch die kollektive Intelligenz der Mitarbeiter:innen steht auf solideren Beinen als eine alleinige Bewertung durch das Management. Gleichzeitig wird durch die erhöhte Transparenz auch das Change-Management und die Ideenumsetzung gefördert.

Um die eigene „Betriebsblindheit“ zu überwinden, empfiehlt sich der Ausbau des Innovationsnetzwerks um eine weitere Schale nach außen: Kund:innen und Fans der Lösungen oder der eigenen Marke sind längst bereit bei Zukunftsinitiativen mitzudenken und sich mit Ideen und Feedback einzubringen. Diese „Open Innovation Strategie“ kann mit einer digitalen Innovationsplattform verwirklicht werden. Ideen können zu jeder Zeit und mit hoher Reichweite gesammelt und vorbewertet werden. Gleichzeitig wird damit die Kund:innenbeziehung digitalisiert und eine Kund:innen-Community wirksam.

Die bekannte Marke Lego hat mit „Lego Ideas“ ein Interface geschaffen, womit Kund:innen zum Lego Designer werden können. Wer es schafft, mindestens 10.000 „Supporters“ für sein Design zu begeistern, wird damit in das Standard-Produktportfolio von Firma Lego aufgenommen und bekommt einen Teil des Produktumsatzes. Lego hat damit ein digitales Geschäftsmodell entwickelt und gleichzeitig das Innovationsrisiko durch das frühe Kund:innenfeedback und durch Vernetzung enorm gesenkt.

Auch das Produkt Loop von Österreichische Post hat seinen Ausgangspunkt bei der Ideenfindung mit Kund:innen und kreativen externen Impulsgeber:innen gefunden. Auf der Innovationsplattformgreen innovation ideas“ von isn – innovation service network wurden 90 Ideen von mehr als 200 Anwender:innen digital eingereicht die damit die Chance genutzt haben, um die Paketlogistik mit einer wiederverwendbaren Verpackung ein Stück nachhaltiger zu gestalten.

Wer das Innovationsrisiko noch weiter senken will, kann mit einem „Vorverkaufs-Crowdfunding“ (Presales) seine Community dazu einladen sich auch finanziell an Zukunftsprojekten zu beteiligen. Am Ende der Prototypenphase oder Planungsphase wird ein Prototyp an die Crowd verkauft, um herauszufinden, ob diese Lösung vom Markt akzeptiert wird und die Erstserie ohne Risiko produziert werden kann. Erst wenn genug Sicherheit gegeben ist und ein signifikanter Betrag am Konto liegt, startet die nächste Phase des Innovationsprozesses. Durch das Crowdfunding kommt das Geld direkt von Kund:innen und liefert damit einen „vorverkauften Umsatz“ bereits vor dem Produktionsstart. Beispiel: Fieberbrunns neue Seilbahn (Saalbach) wird aktuell durch die Kund:innen-Crowd über Gutscheine für zukünftige Services mit bis zu €12.000 pro Person mitfinanziert. Gleichzeitig wird die neue Lösung für ein breiteres Publikum bekannt gemacht.

Fazit: Der Mehrwert von Netzwerken ist nicht nur im internen Innovationsmanagement, sondern auch bei Open Innovation sehr hoch. Die erhöhte Transparenz und frühe Einbeziehung von Mitarbeiter:innen und Kund:innen senkt das Risiko des Scheiterns. Es ist absehbar, dass die eigene soziale Community auf einer eigenen digitalen Innovationsplattform für innovative Unternehmen in Zukunft ein Teil des Innovationsmanagements, aber auch ein Teil der Kommunikationsstrategie sein wird.

Wie werden in deinem Unternehmen Zukunftsprojekte abgewickelt? Ist sichergestellt, dass alle Mitarbeiter:innen an Innovationsvorhaben mit Ideen und Feedback teilhaben können? Sind deine Kund:innen in einer linearen Adressliste gespeichert oder betreibst du bereits ein digitalisiertes Open Innovation Netzwerk mit richtig Innovationspower?

Ich freue mich wie immer auf Feedback und wünsche noch einen erholsam-kreativen Sonntag!

Reinhard Willfort, Innovationsdoktor, www.willfort.at

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