„Wir müssen wieder um das besser werden, was wir am Standort zu teuer geworden sind“, so lautete sinngemäß die Botschaft des Präsidenten der Industriellenvereinigung Oberösterreich und KTM-Chef Stefan Pierer beim Industrieempfang 2024. Die Stimmung in der produzierenden Industrie ist wirtschaftlich nach wie vor gedämpft und auch die Aussichten für 2025 schauen noch nicht nach Wachstum aus. Im Wettbewerb der Standorte sind Deutschland, Österreich, aber auch andere europäische Regionen in eine kritische Lage geraten.
China produziert, USA innoviert und Europa reguliert … Dieser Spruch macht schon eine Weile die Runden. Vor 10 Jahren hätte man bei China „kopiert“ geschrieben, inzwischen wird auch in China intensiv innoviert und die Regierung liefert dazu Investment. China investiert strategisch Milliarden in Forschung und Entwicklung. Ob das Mindset wirklich für ein „zweites Silicon Valley“ reicht, wird man sehen. Die globalen Wirtschaftszahlen zeigen auf jeden Fall in diese Richtung. Gleichzeitig fällt der europäische Wirtschaftsraum weiter zurück.
Hat uns der „Green Deal“ in eine kritische Situation gebracht? Das Ziel „Klimaneutralität bis 2050“ mit vielen Auflagen und Verboten einzufordern hat bei vielen Wirtschaftstreibenden und insbesondere bei der Industrie für Unmut gesorgt. „Europa reguliert“ könnte eine Chance sein, wenn man die Ressourcen und Technologien für ein grünes Europa im Griff hat. Die aktuelle Wirtschaftslage spiegelt leider ein anderes Bild wider. Die Umsetzung des Green Deals z.B. in der Mobilität mit importierten Elektroautos aus China und USA trägt wenig für eine Standort-USP bei.
Wissensintensive Wertschöpfung bei hohen Arbeits- und Energiekosten stehen auf der Agenda. Wir müssen in der Leistungserstellung wieder um das besser werden, was wir in letzter Zeit zu teuer geworden sind. Es braucht Strategien für die nächsten fünf Jahre, die unsere Stärken mobilisieren und Orientierung für alle Wirtschaftssektoren liefern. Die Erhöhung der Wissensproduktivität und Technologiekompetenz muss die publikumswirksame Diskussion um eine Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit ablösen.
Mit „Wissensproduktivität“ meine ich den effektiven und effizienten Einsatz von Wissen in die Entwicklung von Lösungen und Werten. Wir haben in Österreich zwar ein teures aber sehr gutes Ausbildungssystem und in vielen Fachgebieten auch exzellente Forscher:innen. Unsere Fachkräfte und Absolvent:innen von Hochschulen sind international gefragt. Auch das Gründen von technologieintensiven Unternehmen ist inzwischen einfacher geworden und hat an Frequenz zugenommen.
Große Unternehmen haben die Scheu verloren mit Startups und KMUs zu kooperieren. Gute Ideen müssen damit auch in Österreich kein „Erfinderschicksal“ mehr erleiden. Das haben inzwischen auch ausländische Investoren erkannt, die österreichische Startups gerne in den größeren Finanzierungsrunden abholen und damit deren Kommerzialisierung nicht mehr in Österreich stattfindet. Dieser fehlende Rückfluss an Steuermitteln wird uns in Zukunft weitere Sorgen bereiten. Wir investieren damit genau genommen mit unseren Forscher:innen und Entrepreneuren in andere Volkswirtschaften, die sich das Risiko der Frühphase ersparen und den kommerziellen Erfolg verbuchen können.
Die Wissensproduktivität ist ein essenzieller Teil der Arbeitsproduktivität in einer wissensintensiven Ökonomie. Unter der Produktivität versteht man die Relation von Output zu Input. Viele Gespräche aus den letzten Monaten mit Unternehmen haben das Thema Wissensmanagement nach 25 Jahren wieder auf die Agenda gebracht. Zufall? Nein! Bis heute sind z.B. in vielen Unternehmen Doppelgleisigkeiten beobachtbar. „Das Rad“ wird in Unternehmen auch heute noch parallel zwei- oder dreimal neu erfunden, es fehlt oft an Transparenz.
Wenn Unternehmen in eine Krise kommen, müssen Ressourcen angepasst werden, damit ist meist auch ein Wissensverlust unvermeidbar. Das Wissen über Wissensmanagement ist in vielen Unternehmen noch nicht ausreichend vorhanden. In Unternehmen mit mehreren Standorten oder Tochterfirmen werden die neuen Möglichkeiten zur Wissensvernetzung durch digitale Tools noch nicht ausreichend genutzt. Daraus ergeben sich eine Vielzahl an Maßnahmen, die zur Erhöhung der Wissensproduktivität beitragen können.
Maßnahmen im Detail: Wissen zu Wissensmanagement aufbauen. Digitale Vernetzungstools einsetzen, z.B. eine Innovationsplattform für mehr Innovation und Transparenz. Talente und Wissen sichtbar machen, damit es besser genutzt werden kann, z.B. durch eine Kompetenzmatrix, informelles Lernen am Arbeitsplatz fördern, etc.
Seit Jahren beobachtet man die Pilgerreisen von Interessensverbänden und Wirtschaftsdelegationen in das Silicon Valley. Ziel ist es ein paar Funken an Innovationsgeist und ein Kochrezept mit nach Hause zu bringen, um Entrepreneurship auch bei uns breiter auszurollen. Die Funken verglühen meist schon am Montag danach in der Routine am Arbeitsplatz. In einer stark regulierten Umgebung mit einer begrenzten Bereitschaft unternehmerisches Risiko zu tragen oder Kapital zu investieren, lässt sich der Spirit eines Silicon Valley eben nicht so leicht 1:1 transferieren.
Aus meiner Sicht wäre es viel sinnvoller die Kooperationsintensität zwischen Hochschulen und Forschungszentren und der der starken österreichischen Industrie für die Forschungsverwertung und für Entrepreneurship besser zu nützen. Damit würde das Risiko der Verwertung sinken und man kann auf bestehende Vertriebsressourcen in größeren Unternehmen zugreifen. Das funktioniert deutlich schneller und mit weniger Risiko als in einem Startup, das erst eine Infrastruktur für die Verwertung aufbauen muss. Spin-offs aus Unternehmen könnten viel besser zu österreichischen Innovationskultur passen. TÜV Austria hat mit TRUSTIFAI und einem Joint Venture mit dem Software Competence Center Hagenberg gezeigt, wie das funktionieren könnte.
In nahezu allen Hochschulen wurde in den letzten Jahren begonnen, Mitarbeiter:innen dazu anzuhalten, Schutzrechte anzumelden, um daraus zusätzliche Mittel aus der IP-Verwertung zu generieren. Die Realität hat gezeigt, dass dies nur in wenigen Fällen gelungen ist, aber gleichzeitig unternehmerische Kooperationspartner verunsichert wurden. Bisher war klar: In einer Forschungskooperation verwertet das Unternehmen und das Forschungsinstitut publiziert. Einige Unternehmen haben die Konsequenzen gezogen und die interne F&E verstärkt.
Ein weiterer Hebel für mehr Wissensproduktivität liegt im österreichischen Wirtschaftsfördersystem. Kaum ein Land leistet sich ein so stark ausgestaltetes Fördersystem wie Österreich. Die Komplexität und Regulatorik ist inzwischen so hoch, dass es eigene Unternehmen gibt, die Antragsteller:innen beraten oder die Förderanträge schreiben. Die Idee des Fördersystem ist es Marktversagen oder Nachteile von Akteur:innen durch unterschiedliche Instrumente (Zuschüsse, Darlehen, Beratung, etc.) zu kompensieren.
Nachdem Fördertöpfe in der Regel weniger Ressourcen bereitstellen können, als gebraucht wird, gibt es keinen kausalen Weg zur erfolgreichen Förderung. Ich erinnere mich an ein EU-Förderprogramm, wo von 40 einreichenden Konsortien nur ein Konsortium gefördert wurde. Die 39 anderen Konsortien haben aber annähernd denselben Aufwand betrieben. Die volkswirtschaftliche Bilanz ist in diesem Fall vernichtend. Viele gute Ideen wurden in der Schublade abgelegt.
Vielfalt verwirrt: Neben EU-Förderprogrammen gibt es die Förderprogramme des Bundes mit unterschiedlichen Verteilsystemen, weiters die Landesförderungen und zusätzlich kommunale Förderungen bei den Gemeinden und Städten. Allen Fördersystemen ist eines gemeinsam: Sie sind auf Misstrauen aufgebaut. Der Antragsteller muss beweisen, dass er das Geld getreu dem auf mehrere Jahre festgelegten Regelwerk einsetzt.
Es wäre sinnvoller, wenn man mehr in kooperative Programme investieren würde, um die Wissensvernetzung voranzutreiben. Österreich ist ohnehin sehr kleinteilig und regional strukturiert. Damit kann eine internationale Sichtbarkeit nur schwer erreicht werden und auch hier wird Wissen redundant und nicht kooperativ aufgebaut. Was spricht dagegen einen Teil des Fördergeldes ohne große Bürokratie an risikoreiche Projekte zu vergeben und den Output zu messen?
Fazit: Es gibt sicher noch mehr Möglichkeiten die Attraktivität und Wirksamkeit des Wirtschaftsstandorts zu erhöhen. Das Wissen und die Kreativität am Standort sind hoch. Das ist unsere große Chance und wir dürfen im Unterschied zu anderen Nationen noch frei denken.
Wie ist deine Sichtweise auf das Thema und wie schätzt du die Wissensproduktivität deines Unternehmens ein?
Ich freue mich auf Feedback und wünsche einen guten Start in die Woche!
Reinhard Willfort, Innovationsdoktor, www.willfort.at
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